02.03.2022

Ukraine-Krieg: Dr. Reinhard Brandl informiert gemeinsam mit Prof. Dr. Carlo Masala

Dr. Reinhard Brandl (rechts oben im Bild) und Prof. Dr. Carlo Masala (links unten im Bild) ordneten die Lage in der Ukraine ein. Mit dabei war auch die Bundestagsabgeordnete Emmi Zeulner.
Dr. Reinhard Brandl (rechts oben im Bild) und Prof. Dr. Carlo Masala (links unten im Bild) ordneten die Lage in der Ukraine ein. Mit dabei war auch die Bundestagsabgeordnete Emmi Zeulner.
Prof. Dr. Carlo Masala, Inhaber des Lehrstuhls für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr gilt als ausgewiesener Sicherheitsexperte.
Prof. Dr. Carlo Masala, Inhaber des Lehrstuhls für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr gilt als ausgewiesener Sicherheitsexperte.
Datum:
02.03.2022
Uhrzeit:
18:00 Uhr
Ort:

Der 24.02.2022 wird als Zäsur in die Geschichtsbücher eingehen. Wladimir Putin hat einen Angriffskrieg gegen die Ukraine gestartet. Damit rollen zum ersten Mal seit 1939 in Europa wieder Panzer. Krieg mitten in der EU. Autokrat Putin hat die bestehende Sicherheitsordnung vom Tisch gewischt. Die Stimmung schwankt zwischen Fassungslosigkeit und Hilfslosigkeit. Frieden und Freiheit in Europa scheinen nicht mehr selbstverständlich. Die Ereignisse überschlagen sich.

Der Bundestagsabgeordnete Dr. Reinhard Brandl hat gemeinsam mit Prof. Carlo Masala, einem der bekanntesten deutschen Experten für Sicherheitspolitik, die aktuelle Lage in der Ukraine in einer Videokonferenz eingeordnet.

Für Reinhard Brandl ist es als sei Deutschland am 24.02.2022 aus einem bösen Traum erwacht. „Der Traum war mit Putin am Verhandlungstisch zu sitzen und wir wurden von Krieg aufgeweckt.“ Der Verteidigungspolitiker betonte in seinem Eingangsstatement die Einigkeit in der Bewertung der Situation über alle Parteigrenzen hinweg.

„Alle Aggression geht von Putin aus. Es geht darum, dass er Staaten unterdrücken möchte. Das ist nicht unsere Vorstellung von internationaler Politik und Verhandlungen, die China und Russland ausüben. Wir müssen lernen damit umzugehen.“

Brandl sprach sich auch für Waffenlieferungen in die Ukraine aus. „Deutschland steht im Bündnis als Partner. Es war wichtig der Ukraine zu helfen, sich selbst zu verteidigen. Nur mit guten Worten können wir nicht helfen.“ Der Bundestagsabgeordnete hob außerdem die Geschlossenheit im Land hervor. Die Union werde die Bundesregierung weiter unterstützen.

Der Experte für Sicherheitspolitik  Prof. Carlo Masala stellte zu Beginn seines Vortrags klar, dass es sich völkerrechtlich um einen Angriffskrieg Putins handle. Sein Ziel sei es Donezk und Luhansk mit einer Landbrücke zur Krim zu verbinden. Es fehle nur noch ein kleines Stück.

Putin verfolge in den Augen Masalas mehrere Ziele: die Demilitarisierung der Ukraine, um den Verantwortlichen so die Fähigkeit zur Operationsführung zu nehmen. Dies mache auch für die Zeit nach dem Krieg Sinn. Und Putin wolle die Entnazifizierung. Damit bediene er den Narrativ in der Ukraine seien Faschisten an der Macht. Putin wolle den Präsidenten Wolodymyr Selenskyi aus Kiew vertreiben.

Nach der Einschätzung von Prof. Masala habe die russische Operationsführung zu Beginn nicht so funktioniert, wie es sich die Russen vorgestellt haben. „Es gab unglaubliche logistische Probleme. Soldaten harrten tagelang ohne Essen aus, weil es keine Feldküche gab. Außerdem haben die Russen den Kampfgeist der Ukrainer unterschätzt und die Massivität, mit welcher die Europäer Waffen geschickt haben.“

Aber so der Experte, Putin stehe militärisch nicht schlecht da. Lange, so seine Befürchtung,  werden die Ukrainer nicht durchhalten. In einigen Wochen werde die russische Überlegenheit erdrückend sein. Den parallel laufenden Friedensverhandlungen räumte der Politikwissenschaftler wenig Aussicht auf Erfolg ein. „Beide beharren auf maximalen Forderungen.“  

Den Umstand, dass Putin die Nuklear-Streitkräfte in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt hat, bewertet Prof. Masala wie folgt: „Stufe zwei von vier. Es war klug von den Amerikaner in dieser Eskalationsspirale nicht nachzuziehen. Diese Reaktion galt uns. Putin will damit sagen, dass wir uns aus diesem Konflikt raushalten sollen wie bereits 2014.“

Prof. Masala räumte aber auch ein, dass der Kreml eine „Blackbox“ sei. Ob es jemanden aus Putins  Gefolgschaft gebe, auf den er höre oder ob, es gar die Bereitschaft gebe ihn zu stürzen, dass seien alles Spekulationen.

Im Anschluss an den Vortrag hatten die zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörer die Gelegenheit ihre Fragen an den Bundestagsabgeordneten und den Sicherheitsexperten zu stellen: „Was hat der Ukraine Krieg für eine Konsequenz für Deutschland?“

Die deutliche Antwort des Experten: „Die Bundesrepublik hat endlich begriffen, dass die idealistische Außen- und Sicherheitspolitik nicht mehr taugt.“ Sowohl Brandl als auch Masala warben für eine engere Verzahnung von Verteidigung und Diplomatie.

Auch darin waren sich die beiden einig: die 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr seien gut, aber es müssten dringend Strukturen und Prozesse geändert werden.

Auf die Frage, ob man nicht lieber rasch einen schlechten Kompromiss zu Gunsten des Friedens schließen sollte, antwortete der Sicherheitsexperte klar: „ Wir würden da unsere Werte verraten. Staaten sind souverän. Das Signal wäre in seinen Augen fatal: „Du musst nur militärisch ruchlos sein und wir geben dir, was du willst.“

Abschließend betonte der Bundestagsabgeordnete noch, dass das Thema Sicherheit gesamtstaatlich neugedacht werden muss. „Wir haben immer noch eine starke Trennung zwischen innerer und äußerer Sicherheit. Die Bundeswehr müsse auch nach innen bei Cyberangriffen zur Stelle sein. Der Feind kommt über Datennetze, dem müssen wir gesamtstaatlich entgegentreten.“